Ätherische Öle können weit mehr als nur einen angenehmen Duft verbreiten, seit Jahrtausenden begleiten sie die Menschheit auch bei der Bekämpfung von Krankheiten. Ein Blick auf ihre Geschichte und ihre verschiedenen Herstellungsmethoden.
Neben ihrem angenehmen Geruch haben viele Blüten und Pflanzen auch gesundheitliche Vorteile. In Form von ätherischen Ölen werden sie für unterschiedlichste Beschwerden eingesetzt – sowohl physisch als auch psychisch. Ihre Geschichte und ihre Herstellungsmethoden reichen weit zurück; ätherische Öle begleiten die Menschheit schon seit mehreren tausend Jahren und wurden schon früh als Mittel gegen bestimmte Krankheiten und Beschwerden verwendet.
Bereits das alte Indien, Persien, Ägypten, sowie später auch Griechenland und Rom betrieben Handel mit duftenden Ölen und Salben. Dabei soll es sich in erster Linie um in Fette eingelegte Blüten, Blätter und Wurzeln gehandelt haben. Erst mit der Hochzeit der arabischen Kultur wandten die Menschen zunehmend die Technik der Destillation ätherischer Öle mit Ethylalkohol aus fermentiertem Zucker an.
„3000 Jahre vor der katholischen Kirche hatten die Chinesen bereits den Weihrauch entdeckt“, ergänzt der Allgemeinmediziner Peter Emmrich. In seiner Praxis in Pforzheim regt der Arzt, der auch über ein Diplom in Biologie und einen Master in Naturheilkunde verfügt, seine Patienten und Patientinnen zur Anwendung von Naturheilmitteln an. Weihrauch sei wirksam gegen Bakterien und Viren, zudem sorge er für geistige Ausgeglichenheit. „Von Viren und Bakterien wusste man damals noch nichts, aber Krankheiten kannte man und versuchte gegen diese vorzugehen.“
Ätherische Öle vom Mittelalter bis heute
Im Mittelalter, etwa vom 11. bis ins 13. Jahrhundert, verbreitete sich das Wissen um die Destillation und die Isolierung von ätherischen Ölen schließlich auch in der europäischen Bevölkerung. Sie verwendete die Öle damals für Einbalsamierungen aber auch medizinische, kosmetische und spirituelle Zwecke. Im 15. Jahrhundert folgten unter anderem Zedernholz-, Rosen-, Rosmarin-, Ähren-, Weihrauch-, Terpentin-, Salbei-, Zimt- und Myrrheöl. So sollen die Menschen beispielsweise mithilfe von ätherischen Ölen versucht haben die Verbreitung der Pest einzudämmen. „1500 v. Chr. entwickelten die alten Ägypter Destillationsapparate zur Herstellung von ätherischen Ölen. Diese Vorgänge wurden jedoch möglichst geheimgehalten und waren eingeweihten Priestern und Königen vorbehalten“, so Emmrich. „Auch bei der Öffnung von Pyramidenkammern wurden feinste ätherische Öle als Grabbeilagen gefunden.“
Als Vorreiter nennt der Mediziner den griechischen Arzt Pedanios Dioskurides, der sich genauer mit der Wirkung ätherischer Öle beschäftigte und sie als Heilmittel sah. „Dioskurides entdeckte unter Kaiser Nero rund 500 Heilpflanzen und ordnete sie der Heilung bestimmter Krankheiten zu.“ Zudem wurden ab dem 15. Jahrhundert zur Gewinnung ätherischer Öle zunehmend mehr Pflanzen, wie beispielsweise Rosen, Rosmarin, Salbei, Wacholder oder Weihrauch destilliert. Erst im darauffolgenden Jahrhundert entdeckten Parfüm-Manufakturen ätherische Öle für sich. Mitte des 18. Jahrhunderts wurden in Europa rund hundert ätherische Öle eingeführt. Durch das wachsende Wissen um den chemischen Charakter ätherischer Öle zum Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs auch deren Produktion weiter. Jedoch rückte die medizinische Verwendung zeitweise in den Hintergrund: Stattdessen waren sie zunehmend Bestandteil von Lebensmitteln, Getränken und Parfüms.
Herstellungsverfahren ätherischer Öle
Wasserdampf-Destillation
Eine Vielzahl ätherischer Öle werden mit einer Wasserdampf-Destillation hergestellt. Dabei wird das Wasser verdampft und sofort wieder abgekühlt. Das nennt man kondensieren. Bei der Herstellung der Öle müssen die Produzenten einen sehr genauen Blick auf den richtigen Druck, die zum Öl passende Temperatur, meist unterhalb von 100 Grad Celsius, und die Dauer des Vorgangs legen. In einem sogenannten Alembik oder Alambik platzieren die Hersteller das Pflanzenmaterial in einem Sieb unter dem sich siedendes Wasser befindet.
Der Wasserdampf befördert die Duftmoleküle nach oben und kühlt sich in einer Kühlschlange direkt wieder ab. Das Kondenswasser und das ätherische Öl, das sich je nach Art an der Oberfläche oder am Boden absetzt, gelangt dann in einen weiteren Behälter, die sogenannte Florentiner Vase. Von dort aus kann das ätherische Öl dann entweder durch Hähne, die sich sowohl oben als auch unten an der Florentiner Vase befinden, abgelassen werden. Anschließend muss das ätherische Öl belüftet werden und einige Tage ruhen.
Kaltpressung
Bei der Kaltpressung handelt es sich um ein sehr schonendes Verfahren, das eigentlich nur für die Gewinnung von Zitruspflanzen-Ölen aus deren Schalen angewendet wird, da diese sehr hitzeempfindlich sind. Dabei werden Ölbehälter, die sich in der äußeren Schicht der Schale befinden zum Platzen gebracht und die Duftstoffe in einem Behälter gesammelt. Die Schalen können sowohl getrocknet als auch frisch gepresst werden.
Extraktion
Hierbei lösen sich die ätherischen Öle aus der Pflanze, indem sie mit einem Lösungsmittelextrakt übergossen werden. Dieser ist in häufigen Fällen synthetisch. Mithilfe einer Destillation werden ätherische Öle und der Lösungsmittelextrakt wieder voneinander getrennt, eine Spur dessen bleibt jedoch im Öl hängen. Der Anteil ist allerdings so gering, dass dieser bei der Anwendung unproblematisch ist. Mittlerweile ist die Extraktion auch mit CO₂ möglich, das dabei als Lösungsmittel dient. Die dabei verwendete natürliche Quellsäure verflüssigt sich unter hohem Druck. Die Methode ist recht kostspielig, jedoch können die Hersteller so verhindern, dass sich anschließend Reststoffe des Lösungsmittels im Öl befinden.
Enfleurage
Diese ist die älteste Methode zur Gewinnung ätherischer Öle. Sie ist jedoch kosten- und zeitintensiv, da sie in reiner Handarbeit geschieht. Bei der Enfleurage werden Blütenblätter beispielsweise auf ein tierisches Fett wie Rinderfett auf einer Glasplatte verteilt und anschließend mehrerer dieser Platten aufeinandergestapelt. Mit der Zeit nimmt das Fett die Duftstoffe der Pflanze auf, verwelkte Blätter werden so lange gegen neue ausgetauscht bis das Fett keine neuen Duftstoffe mehr aufnimmt; dies kann bis zu drei Wochen dauern. Nun ist eine sogenannte Pomade entstanden. Durch stundenlanges Schütteln in Alkohol löst sich das ätherische Öl von dem Fett und kann anschließend abgeschöpft werden. Bei diesem hoch konzentrierten Öl reichen bei der Anwendung Kleinstmengen aus.
Wissenschaftlich bewiesen: Ätherische Öle helfen gegen MRSA
„Die Anwendung funktioniert auch ohne, dass man daran glaubt“, betont Peter Emmrich. Diverse Studien belegten bereits die Wirksamkeit der ätherischen Öle. Dabei verweist er auf eine Studie des Chemikers Dr. Dietrich Wabner, in der dieser belegen konnte, dass ein Gemisch aus fünf ätherischen Ölen fast alle multiresistenten Keime in einem Raum beseitigt. Dafür stellte der Forscher eine Duftlampe mit unterschiedlichen Anteilen von Nelken-, Zitronen-, Zimtrinden-, Eukalyptus- und Rosmarinöl auf. Das Ergebnis: Nach zehn Minuten waren 83 Prozent der Keime nicht mehr vorhanden, nach 20 Minuten waren es 99,3 Prozent weniger. Von zuvor 210 Keimarten waren nach 30 Minuten nur noch vier nachweisbar.
Die einzelnen ätherischen Öle hätten zudem vorteilhafte Wirkungen auf den Menschen. Emmrich erläutert diese im Einzelnen: „Nelkenöl hat die Fähigkeit freie Radikale in Lebensmitteln unschädlich zu machen, zudem wirkt es antiseptisch und entzündungshemmend. Zitronenöl stärkt das Immunsystem, fördert den Lymphfluss und wirkt stimmungsaufhellend. Zimtrindenöl wirkt ebenfalls antiseptisch. Eukalyptusöl wirkt entzündungshemmend und hilft gegen Müdigkeit. Auch Rosmarin hat eine entzündungshemmende Wirkung und hilft gegen Stress.“
Im Jahr 2004 waren Forscherinnen und Forscher der Manchester Metropolitan zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Sie konnten in drei unterschiedlichen Versuchen beweisen, dass eine Kombination aus Citricidal und Geranienöl eine große antibakterielle Wirkung gegen MRSA hatten.
Der renommierte Duftforscher Dr. Hanns Hatt konnte in einer Studie zudem beweisen, dass ätherische Öle von Zitrusfrüchten, konkret das darin enthaltene Terpen Citrolellal, das Wachstum von Tumoren bei Leberkrebs senkt, wenn sie über Duftrezeptoren in der Nase aufgenommen werden.
Natürliche Allheilmittel?
Nicht für jedes angepriesene Heilungsversprechen mancher Hersteller ist die Wirkung der ätherischen Öle bisher bewiesen. Für Anwenderinnen und Anwender gilt es deshalb achtsam und kritisch zu bleiben. Zudem sind die Zusammensetzungen der Öle oft sehr komplex, was die Bewertung von pharmakologischen Ergebnissen erschwert. Auch sollten Nutzerinnen und Nutzer die Allergiegefahr bei der Anwendung ätherischer Öle beachten. Peter Emmrich empfiehlt es deshalb, nicht ohne grundlegendes Vorwissen ätherische Öle an sich oder anderen anzuwenden.
Laut ihm könne jedoch im Prinzip jeder Aromatherapie anwenden, dafür gebe bereits eine Vielzahl an Fertigmischungen unterschiedlicher Hersteller auf dem Markt. „Man sollte sich jedoch vorher in die Thematik einlesen und sich bereits mit ätherischen Ölen auskennen. Sonst verwenden Anwenderinnen und Anwender häufig zu viel Öl, obwohl wenige Tropfen bereits ausreichen würden.“ Bei der Anwendung auf der Haut müssten Patientinnen und Patienten ätherisches Öl beispielsweise zusammen mit einem Trägeröl anwenden, da es sonst zu Reizungen kommen könne; besonders wenn sie die betroffene Region der Sonne aussetzten.